Künftiger Klimawandel
Die Schweiz ist vom Klimawandel und den damit verbundenen Risiken besonders betroffen. In den folgenden Unterkapiteln werden die Entwicklungen bis Ende des Jahrhunderts (2085) und für den Fall ohne Klimaschutz erläutert. Die Entwicklungen bis Mitte des Jahrhunderts (2060) und der Effekt der wirksamen Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen sind in den jeweiligen Tabellen und Grafiken ergänzt.
Entwicklung der Mitteltemperatur
Mit dem weltweiten Klimawandel steigen die Temperaturen weiter an. Nehmen die THG-Emissionen ungebremst zu (RCP8.5), prognostizieren die neuen Klimaszenarien CH2018 einen weiteren Anstieg der Jahresmitteltemperatur in der Schweiz bis 2085 von durchschnittlich 3.5 bis 5.5 °C im Mittelland (Kanton Thurgau) von 3.1 bis 4.9 °C (Abbildung 1).
Die Erwärmung betrifft alle Regionen der Schweiz und alle Jahreszeiten. Der Sommer weist die stärkste Erwärmung auf (BAFU et al. 2020). Abbildung 2 zeigt die projizierten saisonalen Temperaturabweichungen im Thurgau ohne Klimaschutz an der Klimastation Güttingen.
Trockene Sommer
Die Sommer erwärmen sich schweizweit am stärksten. In der Nordostschweiz ist ohne Klimaschutz mit einer Zunahme der mittleren Temperatur bis 2085 von weiteren 2.9 bis 5.8 °C zu rechnen. Langfristig nimmt mit den höheren Temperaturen der mittlere Gesamtniederschlag im Sommer ab (RCP8.5: bis 2085 um 39 bis 5 %) und die Verdunstung zu. Dadurch werden die Böden trockener, die Anzahl Regentage nehmen ab (RCP8.5: bis 2085 um 37.9 bis 8.4 Tage) und die längste niederschlagsfreie Periode im Sommer verlängert sich bis 2085 um bis zu 9.9 Tage. Eine Trockenperiode, die bisher alle 10 Jahre 1- bis 2-mal aufgetreten ist, könnte künftig jedes zweite Jahr vorkommen (NCCS 2018).
Mittler Gesamtniederschlag im Sommer | Längste Sommer-Trockenperiode | Mittlere Sommertemperatur | ||||
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Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | |
Möglich um Mitte des 21. Jhd. (2060) | -14 bis +8.2 % | -25.4 bis +8.7 % | -1.4 bis + 4.1 Tage | -0.4 bis +8.6 Tage | +0.7 bis +1.7 °C | +2.0 bis + 3.3 °C |
Möglich gegen Ende 21. Jhd. (2085) | -13.7 bis +6.4 % | -39.2 bis -4.5 % | -0.5 bis + 4.4 Tage | +0.7 bis +9.9 Tage | +0.7 bis +1.5 °C | + 3.3 bis + 6.1 °C |
Dies wirkt sich auf den Wasserhaushalt aus: Wasserstände von Grund- und Oberflächengewässern nehmen im Sommer und Herbst generell ab. Mit vermehrten sommerlichen Hitzewellen und Trockenperioden nehmen Niedrigwasserabflüsse in Gebieten unter 1500 m. ü. M. während Trockenperioden im Schnitt um 30 % ab. Abbildung 3 zeigt diese Entwicklung für die Station Thur-Halden bis 2085 ohne Klimaschutz.
Während regenarmer Perioden können Feuchtgebiete, kleine Flüsse und Bäche sowie Quellen trockenfallen. Mangelnde Wasserstände und hohe Temperaturen beeinträchtigen das Leben in und an Gewässern. Vereinzelt können auch mittlere und kleinere Fliessgewässer während sommerlicher Trockenphasen austrocknen. Wird gleichzeitig Fluss- und Grundwasser für die Bewässerung oder zu Kühlzwecken verwendet, kann es regional und zeitlich begrenzt zu Wasserknappheit kommen. Bis 2085 herrscht im Thurgau voraussichtlich im Sommer während niederschlagsarmen Jahren verbreitet Wasserknappheit (Abbildung 4).
Heftigere und häufigere Starkniederschläge
Wärmere Luft kann pro 1 °C Erwärmung 6–7 % mehr Wasser aufnehmen. Eine wärmere und feuchtere Atmosphäre enthält dadurch mehr Energie, wodurch das Potenzial für kräftigere Gewitter und Starkniederschläge steigt. Nach aktuellem Stand hält dieser Trend schweizweit an: Mit ungebremstem Klimawandel fallen die stärksten Niederschläge im Winter in der Nordostschweiz bis 2085 um 40 %, im Sommer bis rund 23 % kräftiger aus (NCCS 2018). Überschwemmungen, Hochwasser und Oberflächenabflüsse werden häufiger. Auch seltene Ereignisse wie sie z.B. nur alle 100 Jahre vorkommen, treten in der Nordostschweiz im Jahresmittel bis 2085 bis zu 44 % öfter auf. Die Niederschlagssummen nehmen im Thurgau im Sommer zwar ab, Einzelereignisse fallen aber kräftiger aus (Tabelle 2). Die Schweiz und somit auch der Thurgau, werden diesbezüglich von der Zunahme der Stark- und Extremniederschlagsentwicklung Nordeuropas beeinflusst. Zeitlich und räumlich kann die Entwicklung von Starkniederschlagsereignissen schwanken und über längere Zeiträume vom langfristigen Trend abweichen (NCCS 2018).
Stärkster jährlicher Eintagesniederschlag | Wiederkehr von 100-jährlichen Eintages-Niederschlagereignis | |||||||
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Winter | Sommer | Winter | Sommer | |||||
Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | |
Möglich um Mitte 21. Jhd. | -9.1 bis +15.1 % | +0.2 bis +17.3 % | -10.3 bis + 14 % | -1.4 bis + 26.2 % | -10.7 bis + 21.2 % | -4.3 bis +27.5 % | -5.6 bis +24.2 % | -3.6 bis +43.3 % |
Möglich gegen Ende 21. Jhd. | -5.8 bis +16 % | -1 bis + 39.6 % | -9.4 bis + 16.7 % | -16 bis + 23.3 % | -13 bis + 39 % | + 7.2 bis + 30.1 % | -10.7 bis + 24.9 % | -5.9 bis + 42.3 % |
Mehr Hitzetage
In den nächsten Jahrzehnten werden die Mitteltemperaturen in der Schweiz und im Thurgau in allen Jahreszeiten weiter ansteigen, der Schwerpunkt liegt dabei im Sommer. Mit ungebremst steigenden THG-Emissionen kann es im Sommer im Thurgau im Schnitt bis 2085 bis zu 6.1 °C (Schweiz bis 4.8 °C) wärmer sein. Die Erwärmung der Höchsttemperaturen ist noch stärker: Die heissesten Sommertage (oder Hitzetage (Tageshöchsttemperatur ≥ 30 °C)) können bis 2085 bis zu 7.6 °C wärmer sein. Dies unter anderem, weil die Bodenfeuchte abnimmt, dadurch weniger Wasser verdunstet und den Boden weniger kühlt. Die Schweiz ist mit der Nähe zum Mittelmeer u.a. von einer der stärksten Zunahme von Hitzeextremen weltweit betroffen (NCCS 2018). Bis 2085 können in der Nordostschweiz bis zu 30 % mehr Hitzetage auftreten, wodurch sich Hitzewellen häufen. Mit jedem zusätzlichen 1 Grad, mit der die mittlere Temperatur ansteigt, verdoppelt sich die Anzahl Hitzetage in der Schweiz. Besonders in tiefen Lagen und in Städten nimmt die Hitzebelastung für Mensch und Tier zu (NCCS 2018). Im Thurgau gibt es bis 2085 durchschnittlich zusätzlich 18.6 bis 51.9 Hitzetage (Gesamtanzahl der Hitzetage in Tabelle 3). Hitzesommer wie im Jahr 2003 werden zur Norm. Auch in der Nacht nimmt die Hitzebelastung künftig weiter zu. Im Thurgau, mit Lagen von meist 400 bis 500 m. ü. M., sind ohne Klimaschutz bis 2085 jährlich bis zu 29.8 Tropennächte (Tagestiefsttemperatur ≥ 20 °C) zu erwarten.
Sommerliche Höchsttemperatur | Anzahl Hitzetage pro Jahr | |||
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Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | |
Möglich um Mitte 21. Jhd. | +0.4 bis +2.5 °C | +1.8 bis + 4.6 °C | 7.3 bis 17.3 Tage | 12.9 bis 31.7 Tage |
Möglich gegen Ende 21. Jhd. | +0.4 bis +2.5 °C | +3.3 bis +7.6 °C | 6.6 bis 16.6 Tage | 24.2 bis 57.5 Tage |
Schneearme Winter
Künftig nehmen die Mitteltemperaturen zu, die Nullgradgrenze steigt von heute 850 auf rund 1500 m. ü. M. an. Die mittlere Temperatur im Winter nimmt im Thurgau ohne Klimaschutz bis 2085 um 3.1 bis 5.0 °C zu. Der winterliche Niederschlag fällt daher eher in Form von Regen, die Gesamtmengen nehmen zu (NCCS 2018). Es treten weniger Frost- und Eistage auf: Die Anzahl Frosttage nimmt im Thurgau bis 2085 durchschnittlich um 61.1 bis 43.9 Tage ab.
Die Schweiz wird eine merkliche Abnahme beim totalen Schneefall und bei der Schneebedeckung erleben. Dies wird besonders in tiefen Lagen und im Frühling spürbar sein. Bis 2085 nimmt die Schneebedeckung unterhalb von 1000 m. ü. M. um ~80 % ab (NCCS 2018). Im Thurgau nimmt die Anzahl Neuschneetage ohne Klimaschutz bis 2085 um 13.3 bis 5.4 Tage ab (Abbildung 5).
Mittlere Temperatur im Winter | Anzahl Neuschneetage | Anzahl Frosttage | ||||
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Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | Mit KS | Ohne KS | |
Möglich um MItte 21. Jhd. | +0.7 bis +2.0 °C | +1.8 bis +3.1 °C | 11.8 bis 20.5 Tage | 6 bis 18.9 Tage | 54.9 bis 92.8 Tage | 43 bis 75 Tage |
Möglich gegen Ende 21. Jhd. | +0.7 bis +2.2 °C | +3.1 bis +5.0 °C | 5.2 bis 19 Tage | 3.5 bis 11.5 Tage | 67.1 bis 92.9 Tage | 26.6 bis 56.9 Tage |
Abflüsse im Wandel
Der Klimawandel verändert zum einen die jahreszeitliche Niederschlagsverteilung, zum anderen steigt die durchschnittliche Lufttemperatur. Im Winter nehmen die Niederschläge mit der höheren Lufttemperatur zu, fallen vermehrt als Regen und fliessen schneller ab. Da der Schnee im Einzugsgebiet der Thurgauer Gewässer später fällt und früher schmilzt, nehmen die Abflüsse und die Grundwasserneubildung im Winter zu. Schmelzwasser fehlt dann im Frühling und Sommer. Die Verdunstung nimmt in allen Jahreszeiten zu. Diese Entwicklungen bewirken, dass die Fliessgewässer im Winter mehr Wasser führen: Ohne Klimaschutz nehmen die Abflüsse der Thurgauer Fliessgewässer im Winter bis 2085 um 5 bis 20 % zu, jene ihres Einzugsgebietes um 20 bis > 60 %. Im Sommer und Herbst verringern sich die Abflüsse um 40 bis 20 % (z.B. Station Thur-Halden in Abbildung 6), in den Einzugsgebieten um 60 bis 40 %. Die gesamte Jahresabflussmenge vermindert sich voraussichtlich nur um 10 % (NCCS 2021b).